haasis:wortgeburten

HAMBACHER FEST 1982

Sicherheitsmaßnahmen gegen unangemeldete und möglicherweise extremistische Teilnehmer – bei jeder Gelegenheit anzuwenden
Empfehlung an Polizeikräfte und Innenminister

Hier das ehrwürdige Bespiel vom 150. Jahrestag des Hambacher Festes
Abschrift eines alten Briefes, nach der wunderlicherweise erhaltenen Kopie, digitalisiert von Heiner Jestrabek (Heidenheim)

Hellmut G. Haasis, Planie 12 A, 7410 Reutlingen
7.1.1982

An die Bezirksregierung Rheinhessen-Pfalz
6732 Neustadt/Weinstraße

Betr.: Sicherheitsmaßnahmen gegen unangemeldete und möglicherweise extremistische Teilnehmer am 150. Jahrestag des Hambacher Festes

Dem geschichtswürdigen Hambacher Schloss naht sich, zum Entsetzen der Sicherheitsbehörden, ein Gespenst: das Gespenst unangemeldeter und folglich nicht genehmigter Veranstaltungen zum 150. Jahrestag des Hambacher Revolutionsfestes von 1832.

Nach der „Rheinpfalz“ vom 8. 12. 1981 hat sich bei der Bezirksregierung Rheinhessen-Pfalz in Neustadt/Weinstrasse eine Arbeitsgruppe gebildet, um mit entsprechenden Maßnahmen für die Sicherheit am 150. Jahrestag des Hambacher Festes zu sorgen.

Offenbar sind schon das Landeskriminalamt, der Katastrophenschutz und die Bereitschaftspolizei aktiv. Selbst die Hubschrauberlandung vor dem Schloss soll geprobt werden. Die Einwohner von Hambach schlottern angeblich aus Angst vor Krawall und Gewalt.

Wie Sie der Presse eingeflüstert haben, seien die Sicherheitsbehörden nicht nur durch eine Veranstaltungsankündigung das BBU (Bundesverband Bürgerinitiative Umweltschutz), sondern auch durch mein Buch "Volksfest, sozialer Protest und Verschwörung", erschienen im Heidelberger Verlag Das Wunderhorn, hellhörig geworden.

Bevor ich bei dem alten Revolutionsfest auftauche, hätte ich gerne gewusst, mit welchen angeblichen Sicherheitsmassnahmen ich zu rechnen habe.

1) Unter welchen Umständen gelten Ihnen Personen, die in Hambach sich in der für Sie sicherheitsempfindlichen Zeit und Gegend ohne behördliche Erlaubnis einfinden, als "extremistische Gruppierungen", die sich Ihrer wenig geschätzten Behandlung erfreuen müssen?

2) Wie gedenken Sie die ungeladenen, Ihnen als Extremisten verdächtigen Bürger zu behandeln?

Zutreffendes bitte ankreuzen und den ausgefüllten Brief zurücksenden.

Observierung der verdächtigen Organisatoren schon im Vorfeld (Telefonabhören, Briefkontrolle, Einschleusen von Spitzeln in Vorbereitungstreffen möglicher extremistischer Gegenveranstaltungen)

weiträumige Abriegelung von Hambach und Schloss, Passieren nur bei einer Unbedenklichkeitsmeldung des Computers aus dem Bundeskriminalamt Wiesbaden

intensive Durchsetzung mit Kriminalbeamten (Schnüffler vom Dienst)

im Ernstfall sofortiger Ausschluss unzuverlässiger Presse-, Funk- und Fernsehleute

Knüppel

Chemiekeule

Wasserwerfer mit Tränen- und Giftgas

Massenverhaftungen

erkennungsdienstliche Behandlung (Fotos fürs Verbrecheralbum, Fingerübungen fürs Nationalklavier)

Anklageerhebung wegen Landfriedensbruch oder ähnlichem

Sollte dieser Katalog Ihre Arbeit ein wenig erleichtert haben, so haben Sie das einem interessierten historischen Schriftsteller zu verdanken. In dieser Eigenschaft bin ich an einer gehaltvollen, erschöpfenden Antwort und nicht an Ausflüchten, Vertröstungen und ähnlichem interessiert.

Zuletzt: Können wir vielleicht wenigstens darin Übereinstimmung erzielen, dass die alten Hambacher Revolutionäre, kämen sie durch ein Wunder der Natur am 150. Jahrestag in alter Radikalität nach Hambach zurück, von Ihnen sofort verhaftet und für Jahre hinter Schloss und Riegel gebracht würden?

Selbstverständlich wegen des hohen Gefährlichkeitsgrades in total isolierter Sonderhaft, bei Bedarf mit einer verordneten Selbstermordung.

Sollten Sie, wie zu erwarten ist, annehmen, diese Fragen hätten nichts mit Ihren Sicherheitsaufgaben zu tun, so bitten Sie einen kompetenten Herrn in der Bezirksregierung, dass er mir meine Fragen beantwortet.

Ich hoffe, dass sich in Ihrem Regierungsapparat wenigstens eine einzige kompetente Personen auftreiben lässt.

Sonst wäre es höchste Zeit, dass Sie sich auflösen.

Ohne die geringste Achtung, weder Miss- noch Hoch-
Hellmut G. Haasis

 

Kommentar nach über 25 Jahren.
In der ganzen Bezirksregierung fand sich keine einzige Person, die kompetent gewesen wäre, meinen Brief zu beantworten. Ich warte noch immer. Die Sinnlosigkeit von Sisyphos hält mich gefangen.
2. Die Bezirksregierung Rheinhessen-Pfalz folgte später meinem Ratschlag, sie löste sich auf. Niemand vermisst sie.

Wie ging es am 27. Mai 1982 auf dem sicherheitsverwahrten Hambacher Schloss zu?
Ein fröhlicher Bericht 25 Jahre später.
siehe erlebnisbericht über einen verborgenen strang der deutschen polizeigeschichte

Wie man heute unschwer sieht:
Der deutsche Weg nach HEILIGENDAMM Juni 2007 ist lang, für die Polizei aber immer kurz. Und sie sorgt dafür, dass ihre Untaten rasch vergessen werden, der größte Teil der MEDIENKASPER hilft ihnen, freiwillig und ohne zusätzliche Bestechung.
Es wird so weitergehen. Wie lange? Über unser Leben hinaus. Solange Polizisten keine Nummern und Namen tragen, sind ihre Gewalttaten nicht einklagbar.
Basta! sagen da die Innenminister aller Länder und Parteien.

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