haasis:wortgeburten

MUNDART + ZWEISPRACHIGKEIT
MARCUS H. ROSENMÜLLER ALS DIALEKTFÖRDERER

Gleich anfangs kam er gut an, der oberbayerische Filmemacher Marcus H. Rosenmüller. Sein Erstling “Wer früher stirbt, ist länger tot” schmeckte den foinön Hörrschaften des Filmgeschäfts anfangs nicht. Landgeruch – au weh, zu streng.

Als der Film bis Berlin gut lief, schwenkten die gesinnungslosen Hörrön flugs um. Die eigentliche Ästhetik dieser Herren liegt halt doch bloß in der Kasse.

Aber leider, schon der zweite Film “Schwere Jungs” war verstolpert, es war nicht mehr Rosenmüllers Idee, dieses Drehbuch, wo 8 fette Kerle auf 2 Bobs die Bahn herunterdonnern. Das Lachen kam nur homöopathisch portioniert heraus.

Langwoilyck. Und die beiden Schlittenlenker - grottenschlechte Schauspieler, ihre nichts sagenden Bankschalter-Gesichter vielleicht grad noch für einen Krimi brauchbar. Beim Erstling hat es mich noch weitere dreimal in den Kinosessel gezogen, beim zweiten kein Bedarf zur Wiederholung. Das waren noch Gesichter: der im Lastwagen, der Vogel auf der Bergspitze mit seinem freien Radio, Frau Cramer.

Rosenmüller hat es mit der Mundart gut hingekriegt, aber so was darf man eben nur in Bayern machen. Im deutschen Kultur-Einheitsbrei von Husum bis Degerloch und Deppenhausen auf der Schwäbischen Alb (die Namen sind Programm!!!) was Eigenes hinzubringen, dazu braucht es Entfernung von stromlinienförmigen Jurys und Auftraggebern.

In Baden-Württemberg, wo meine Mundart noch nicht totzukriegen ist, sitzen im Fernsehen und Radio, in den Verlagen und Bildungsinstitutionen fast nur dialekt-unfähige Scheffs – und nörgeln und meckern und streichen und petzen und hetzen, wenn jemand Dialekt redet, gar schreibt, die Sprache des schwäbischen Landesteils nicht verleugnet.

Die Herren haben mit ihrer Boykottpolitik Erfolg.

Vor 18 Jahren wagte ich mich als erster an einen rein schwäbisch geschriebenen, aber modern konzipierten Roman: “Em Chrischdian sei Leich”.

Acht Verlage versenkten mein Manuskript im Papierkorb. Also musste ich mir selber helfen, einen Miniverlag gründen, den FREIHEITSBAUM, und selber verlegen.

Was folgte? Der Thaddäus-Troll-Preis. Zwei Auflagen waren innerhalb zwei Monate ausverkauft.

Häälenga (heimlich) hatte ich gehofft, andere Autoren dädad mir folga. Pfeifadeckel (von wegen), nex isch worra.

Der Zustand der Mundartliteratur isch zom Plärra (weinen). Die absolute Mehrheit unter den wenigen Mundartautorinnen schreibt heute kurzatmige Texte, für Gedichte gehalten, oder erzählt halt glei magere Witzla. Spätestens nach 20 Sekunden muss die Pointe kommen und im Saalgelächter untergehen, egal auf wessen Kosten - meistens der Frau, der Schwiegermutter, eines behinderten Nachbarn, eines Ausländers usw.

Die kulturelle Orientierung läuft in Richtung Mäulesmühle “Der Hannes und der Birgermoischdr”. Den etwas höheren Ooschbruch (Anspruch) – noi, lieber ed.

Auf uns Schwaben liegt der Fluch, als die Deppen aus dem Süden zu gelten. Morom eigentlich? Ond muaß des so bleiba? Wer hod des verbockt?

Ohne Anstrengung wird es nicht anders werden. Dazu braucht es freile Kurasch (Mut) – aber do hapert’s (da mangelt es), wie wir im politischen Leben äll Dag (täglich) sehen.

Was sagte der alte Immanuel Kant zur Mündigkeit? “Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.”
----- Jo jo scheißele, wamm-r oin hed (wenn man nur einen hätte – einen Verstand).

Und leise machte Kant weiter, was sein Diener nicht notierte und was deshalb unterging: “Habe ebenso Mut, dich deiner eigenen Sprache zu bedienen.”
----- Falls koosch. (Wenn du kannst)

Jetzt wieder zurück zum Rosenmüller. Der verzapfte vor seinem Bobfahrer-Film “Schwere Jungs”, als der Ulmer Schurnalist Magdi Aboul-Kheir ihn fragte: “Welche Rolle spielt für Sie der Dialekt?”

“Der ist ganz wichtig, damit es lebendiger wirkt. Wir haben jetzt zweimal in Bayern gedreht, also wird eben Bayerisch gesprochen. Sollte ich mal was über die Kohlegruben im Ruhrpott drehen, würden die Menschen eben wie im Pott reden. Der Zuschauer identifiziert sich so leichter.” (Südwestpresse,19. Januar 2007)

Ein Vorschlag der List. Wenn unser Schwäbisch weiterhin tabuisiert bleibt, was tun? Zweisprachig auftreten. Die Zweisprachigkeit nimmt den Nicht-Mundartsprechern und –hörern eine höllische Angst – und wir selbst werden mehrsprachig. Nebaher keed (könnte) mr jo au no a bissle Idalienisch schäwtza, morom ed? Come va? Auguri.

Das hilft – hoffentlich - Blockaden verhindern, die Meckerer ausbremsen und den Spaß fördern. - S geit nex Scheeners als a Schwob en Idalia. - Wer dagegen ausschließlich auf Mundart setzt, solange sie kein Eingangsportal in die deutsche Seele hat, bleibt in einem Ghetto: ausgegrenzt.

Der Film wäre auch bei uns ein gutes Medium, die Zweisprachigkeit zu üben. Gelungene Bilder begreift jede Seele, die Sprache schlurkelt (schleicht) hinterher.

Grazie mille, scheena Dank, Rosamiller.

Seine Heimat steht zu ihm. Er gab sich einen zweiten Vornamen H. für Hausham, seinen Flecken. Die Leute dort sind stolz – auf ihn, ihre Sprache, auf sich. Ha narr do glodsch etzad (schaust du jetzt).

Und im Schwabenland? Do däd mr sich eher scheema (schämen) fir so an Hurgler (1 von 492 unübersetzbaren Schimpfworten, die auch heimliche Anerkennungen bedeuten können), mo ed amool Hochdeitsch koo.

Aber so stark wollen wir gar nicht beachtet und angeglotzt werden. Lieber henna domma schdau (hinten drüben stehen), hendr-m Vorhang.

Unseliges Erbe des Pietismus. Jahrhundertealte Vergiftung einer sich selbst unterjochenden Menlität. Do wär Befreiong drengend naidich (dringend nötig).

Preisrätsel: Wer bekommt es hin, sich ständig selbst in den Arsch zu treten? Jawolllll. Nur der ..........

Om Spinozaswillen, befreit euch davon.
Pfaffa en dr Seele,
send baiser (böser) äls a trockne Kehle.
(Werbespruch der Privatbrauerei Druiknui, Upflamör)

(Februar 2007)

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