haasis:wortgeburten

Süß Oppenheimer Nr. 26
(Fortsetzung von Nr. 12)

Die Schönheit der Schwäbischen Alb ohne Pietismus:
die mäandernde Lauter bei Buttenhausen

Susanne Mutschler: Sünden so hoch wie der Roßberg. Eine Öschinger Schustertochter kopierte Predigten des Pfarrers Christian Adam Dann.
Kirchengeschichte im Steinlachtal. „Öschingen, Öschingen, wie wirst du einmal dastehen!“: Der pietistische Pfarrer Christian Adam Dann scharte in seinen wenigen Öschinger Jahren zahlreiche tief bewegte Menschen um sich.
(In: Schwäbisches Tagblatt, Tübingen, 27. August 2014)

Aus diesem pietistischen Gerede sollen nur wenige absurde Sätze angeführt werden. Der Pietismus war in Württemberg schlimmer als BEULENPEST oder SYPHILIS. Mit Nachwirkungen, die dem Landeskenner bis heute mit Händen zu greifen sind. Die Lobhudler dagegen, egal ob aus religiösen, wirtschaftlichen oder parteiegoistischen Gründen wissen nichts von den Nachwirkungen bis heute.

„Wer nicht bei Jesu ist, den hat der Satan am Seil“, donnerte der sprachgewaltige Öschinger Geistliche Christian Adam Dann zum Reformationsfest 1817 von der Kanzel der Martinskirche herunter.“ (Mutschler)

Bei solchem tödlichen Fanatismus ist es nicht weit zu den terroristischen Fundamentalisten aller Religionen, wie sie heute unsere Erde mit Kriegen überziehen.

C. A. Dann gilt den württembergischen Kirchenhistorikern als einer der wichtigsten Vertreter der Erweckungsbewegung im 19. Jahrhundert.

Natürlich macht es solchen Lobrednern nicht das Geringste aus, dass der württembergische Pietismus einen verheerend starken Hang zum Deutschnationalismus, zum Nazismus und endlich zum mörderischen Antisemitismus bewies. Wird ausgeklammert, Basta.

Mehrere der württembergischen Nazistudenten kamen ab 1941 über Heydrichs SD zu Kommandoposten bei den Polizeitruppen, die im Osten noch vor der Einrichtung von Auschwitz Hunderttausende von Juden, Sintis/Romas u. a. ermordeten.

Ohne den geringsten Widerspruch zu ihrer pietistischen Prägung zu empfinden. Von Reue ist nach Kriegsende wenig bis nichts bekannt.

Der heutige Leiter des landeskirchlichen Archivs in Stuttgart Hermann Ehmer tat sich hervor mit einer befremdlichen Charakterisierung, fast Rechtfertigung des großen Pietisten Dann, immerhin eines Enkels von Süß’ Mordrichter Dann:

Dann sei „keine ganz unkomplizierte Persönlichkeit, sondern ein Gewissensmensch mit einem Hang zur Gesetzlichkeit“ gewesen. So der Segen von Herrn Ehmer aus dem kirchlichen Archiv.

Gesetzlichkeit? Und da scheint Dann wohl nie Bedenken gehabt zu haben, wie ungesetzlich Juden in Württemberg und sonst wo traktiert wurden? Die pietistische Gesetzlichkeit ist ein Psychoterror, um die geringste innere Abweichung schon im voraus zu ersticken.

Reinhard Heydrich, der konsequenteste Geheimdienstchef der Nazis, war da nicht so fern. Er legte beim Aufbau der Gestapo und des Sicherheitsdienstes (SD) von Anfang an seinen Schwerpunkt drauf, zuerst in den eigenen Reihen die geringste auch nur potentielle Abweichung vorweg zu ermitteln und zu ersticken.

Der pietistische Pfarrer Dann von Öschingen (bei Reutlingen, am Rand der Schwäbischen Alb) verstand es, seine Gemeinde sonntags in Todesschrecken zu versetzen. Die Gläubigen hatten darunter zu leiden, freilich nicht ohne eigene Schuld, weil sie diese Hetzpredigten glaubten.

Mildere Pfarrer, die es zum Glück auch gab, freilich an anderen Orten, kämen dorthin, meinte Dann, wohin sie gehörten: IN DIE HÖLLE.

„Mit Schauder“, denke er daran - so ein andermal von der Öschinger Kanzel, die heute noch steht – „wie manche Pfarrer einmal mit ihrer Gemeinde in der Hölle sitzen, und die Zuhörer werden schreien: Du gottloser Pfarrer, du hast uns in die Hölle hinuntergepredigt“. Denn „einige ernstliche Seufzer auf dem Totenbette“ reichten nun mal nicht aus für die Seligkeit, führte er den erschrockenen Öschingern vor Augen. (Mutschler)

Zum Glück regte sich auch in Öschingen Widerstand gegen den Glaubensterror. „Als Dann die Treffen der Jugendlichen am Sonntagabend mit den Worten anprangerte, wer dort zusammen komme, werde dereinst beim Gericht zu den Böcken gestellt werden, war nachts Protestgemecker um das Pfarrhaus herum zu hören.“ (Mutschler)

BRAVO. Schade, dass solche Widerstandstaten viel zu selten überliefert werden, von den zumeist ängstlichen, angepassten Historikern. Schande über ihre Feigheit vor solch schönen Befreiungsaktionen.

Weil er den Öschingern verbot, was Spaß machte, so Tanzmusik bei Hochzeiten (die Lustfeindlichkeit erinnert heute an islamische Fanatiker) brach die Gemeinde in zwei Parteien auseinander. Dann musste sich ins benachbarte Mössingen versetzen lassen, wo er weiter hetzte. So konnte man in Württemberg ein pietistischer Musterredner werden.

(Wiedergabe und Kommentar: Hellmut G. Haasis)

uraltes Gebüsch mit Steinriegel oberhalb Buttenhausen

 


/suess_oppenheimer/nr26.php | anares.org | comenius-antiquariat.ch Samuel Hess 2005