NÜRNBERGER FASTNACHTSSPIELE VOR DER REFORMATION -
VORSTUFE DES UNDERGROUNDS?
von Hellmut G. Haasis
Im Nürnberg florierten vor der Reformation Fastnachtsspiele, derbe Belustigungen gegen zwei Richtungen, von denen sich dieses Milieu absetzte: von Bauerntolpeln einerseits, eitel-geckenhaften Rittern andererseits. Keine andere Stadt in Deutschland hat so viele Stücke dieser Volksliteratur hervorgebracht.
Ähnliches ist in der Zeit der deutschen Jakobiner zu beobachten. Nürnberg – eine Perle in der Underground-Literatur.
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Und heute? Ein Jammer.
Über die Fastnachtsspiele allgemein HYPERLINK http://209.85.135.104/search?q=cache:nqfGS9_k39QJ:de.wikipedia.org/wiki/Fastnachtsspiel+fastnachtsspiele+n%C3%BCrnberg&hl=de&ct=clnk&cd=4&gl=de
Erhalten haben sich in Nürnberg 111 Fastnachtsspiele, die derzeit am Deutschen Seminar der Universität Tübingen neu herausgegeben werden.
Die Spiele zeigen traditionell „die verkehrte Welt“, wie sie auch in Schwänken und Volkserzählungen zu finden ist. Sie zeugen von sozialen Spannungen und Subversion gegen die Ordnung: eine listige Unterwanderung des Selbstverständlichen.- Das ist auch das Thema des literarischen Undergrounds.
Es handelt sich um szenische Texte, die in Wirtsschaften wie in Privathäusern gespielt wurden. Sie spotten über Ärzte, die nichts taugen, aber viel Geld verlangen, von Rittern, die wegen ihrer eitlen Prunksucht nur lächerlich erscheinen. Sie nehmen Männer auf den Arm, die aus Liebe zu Narren werden. Derb-obszöne Stoffe, die sich wahrlich nicht für jedes Ohr eigneten. Ihre Späße machten sie selbstverständlich auch auf Kosten von Frauen - und vor allem von Juden.
Die Protagonisten der Fastnachtsstücke vertraten die geltende Strömung des Bürgertums, das sich nach oben wie unten abgrenzte, gegen das Bauerntum wie gegen das höfische Leben. Rebellen waren sie freilich alle miteinander nicht.
Über den Fastnachtsspielen thronte die Zensur des Nürnberger Rates, der zum Beispiel den Papst nicht verspotten ließ. Dennoch hatte der Rat immer wieder Ärger mit den Fastnachtsspielen. Welchen? Womöglich fühlten sich halt doch immer wieder machtvolle Herrschaften auf den Schlips getreten – ein uraltes Problem.
(nach einem Bericht im Schwäbischen Tagblatt, Tübingen, 13. 2. 2007, S. 19)
(Februar 2007)